English intro; German from the next headline onwards
In a rare exception, this post is written in German, as it contributes to a German debate. There’s an executive summary in English below, if you’re interested. I’m talking about Sunday opening times and public holidays. Some say that Sunday closure times are necessary for societal solidarity. I provide data to show that countries with open shops on Sundays do not have less solidarity. Then I propose an alternative model. And since it’s a German debate, the first sentence of the post talks about Poland.
Big thanks to my Mum who sponsored this post with some mandarins.
Bestandsaufnahme mit drei Fakten
Als nächsten Schritt auf dem Weg zurück ins 19. Jahrhundert hat Polen gerade Mitte Dezember die Sonntagsöffnungszeiten erheblich eingeschränkt. Und auch in Deutschland hat sich die Debatte mal wieder belebt, weil dieses Jahr Heiligabend auf einen Sonntag fiel. Ich hatte nicht groß die Motivation, das Für und Wider von geöffneten Läden am Sonntag wieder zu kauen. Dann las ich den Kommentar von Daniel Deckers in der FAZ, der meinte, die Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen sei für den Zusammenhalt der Gesellschaft nötig. Im Folgenden konzentriere ich mich allein auf dieses Argument.
In dem Zusammenhang zitiere ich mal:
The mere fact of being a German respondent decreases the predicted probability of opting for inter-state solidarity compared to other nationalities, in particular Italian and Spanish. However, it is important to highlight that this lower propensity for solidarity in Germany does not favour a higher propensity for self-help. (EU Visions – Citizen’s View on Inter-State solidarity and social Europe)
Aber, ja, hierbei geht es um Solidarität zwischen Staaten. Einige könnten argumentieren, dies sei Zusammenhalt innerhalb einer Gesellschaft. Ich würde zumindest entgegen halten, dass Zusammenhalt zwischen Gesellschaften den Zusammenhalt innerhalb einer Gesellschaft voraussetzt. Ist allerdings gar nicht nötig. Vor sechs Tagen veröffentlichte der Eurobarometer eine Infografik. Diese zeigt in Blau den Anteil der Bevölkerung in allen EU-Mitgliedsstaaten, die sich 2030 eine Gesellschaft mit mehr Solidarität als Individualismus wünschen. In Grün die, die mehr Individualismus wollen, und in Gelb die Balance.
Deutschland ist ganz rechts, hat aber auch den höchsten Anteil jener, die Individualismus und Solidarität gleichzeitig wollen. Ich betone einmal den Vergleich mit den Niederlanden, die wir üblicherweise als sehr individualistische Gesellschaft wahrnehmen. Die sind fast ganz links in dem Diagramm.
Hier lässt sich einwenden: Man wünscht sich, was man nicht hat. Einen hab ich allerdings noch: Spenden und Ehrenamt. Ja, auch die sind keine großartigen Variablen, weil sie auch davon abhängen, wie viel die sozialen Sicherungssysteme bereits leisten und wie viel Notwendigkeit zur spendenbasierten Solidarität die Deutschen dann sehen. Im Kontext anderer Variablen ergibt sich dennoch eine grobe Skizze. Also bitte.
Diese Grafik basiert auf drei Variablen: der Anteil der Bevölkerung, der spendet, und der Anteil der Bevölkerung, die ehrenamtlich engagiert sind, sowie der Anteil der Bevölkerung, der in jüngerer Zeit einem Fremden geholfen hat. Das Ranking der Staaten ergibt sich aus dem Durchschnitt der Werte. Deutschland liegt auf Platz 18 und damit innerhalb von Europa hinter einigen Ländern, wo die Geschäfte sonntags offen sind (z.B. Irland, UK, Niederlande) und vor einigen Geschäften, wo die Geschäfte sonntags offen sind (z.B. Belgien, Italien und Schweden).
Zusammenfassung: sonntägliche Öffnungszeiten sind für die Solidarität innerhalb einer Gesellschaft vollkommen unerheblich. Das Argument von Daniel Deckers klingt stichhaltig, ist allerdings doch nur eine emotionale Äußerung, die den empirischen Fakten nicht standhält. So verteidigt die Kirche ihren religiösen Einfluss. Wer sonntags nicht arbeiten muss, geht sonntags nicht zur Kirche. Zwar ist das legitim. Europäische Gesellschaften sind aber keine religiösen Gesellschaften. Es müsste doch einen Weg geben, den einen nichts zu nehmen, aber den anderen etwas zu geben. Und hierbei geht es nicht nur um sonntägliche Öffnungszeiten, sondern auch um Feiertage im Allgemeinen.
Dies ist mein Gedanke.
Vom arbiträren zum gewählten Wochenende
The Cure hat uns erklärt, dass alle Tage außer Freitag völlig belanglos sind. Tatsächlich belanglos ist die Definition dessen, was ein Wochenende ist. Das Wochenende sind nun Sonnabend und Sonntag, weil es sich aus der kirchlichen Tradition so heraus entwickelt hat. Im Mittleren Osten ist es häufig Donnerstag/Freitag. Oman wechselte, um sich den dominanten westlichen Partnern anzugleichen, erst 2013 zum Wochenende über Sonnabend und Sonntag.
Persönlich würde ich es häufig vorziehen, wenn mein Wochenende auf Mittwoch und Donnerstag fallen würde oder auf Dienstag und Mittwoch. Da ist dann bei manchen Zielen – Museen oder Geschäften – weniger los. Hotels sind meistens einfacher zu buchen. Ist natürlich mehr Verkehr auf manchen Straßen. Auf anderen wieder weniger.
Es spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, wenn Arbeitnehmer für jedes Jahr im Vorhinein frei entscheiden, welche zwei zusammenhängenden Tage sie als ihr Wochenende nutzen möchten. Das sind dann die Tage, an denen der Arbeitgeber mir Wochenendzuschlag zahlen muss, wenn er möchte, dass ich an diesen Tagen für ihn arbeite.
Wir träfen diese Entscheidung besser mit reichlich Vorlauf, damit Dienstpläne und Personalplanung gut und effizient verfasst werden können. Dieses Interesse des Arbeitgebers besteht ja und ist legitim. Genauso, wie es einst darin bestand, das fest definierte Wochenende überhaupt zu entwickeln, da es die Produktivät und den Konsum erhöhte.
Ich merke an, dass dies für viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon Realität ist. Es ist ja nicht so, dass keiner arbeitet, damit unser Wochenende funktioniert, denn so kirchlich sind wir dann schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Sie nennen das Schichtdienst.
Die Idee ist albern? Im 19. Jahrhundert war nicht der Sonnabend, sondern der Montag der zweite Tag des Wochenendes. Die Idee ist natürlich.
Benjamin Franklin rather prissily bragged that as a young man he got promoted simply by showing up on Mondays for his job in a London printing house: “My constant attendance (I never making a St. Monday) recommended me to the master.”
Während wir also noch darüber debattieren, ob es denn zumutbar wäre, wenn am Sonntag die Geschäfte geöffnet wären, sind z.B. die Briten schon weiter. Die Vier-Tage-Woche ist das nächste Ziel, um Gesundheit und Glück zu steigern… und die Drei-Tage-Woche klopft schon an die Tür.
Vom definierten zum gewählten Feiertag
Wenn wir uns unser Wochenende frei wählen, warum dann nicht unsere Feiertage? Hier schließt die Debatte direkt an die um den muslimischen Feiertag an. Nein, ich denke nicht, dass wir einen zusätzlichen Feiertag brauchen. Ich denke allerdings schon, dass man muslimischen Mitbürgern ihren Feiertag im Tausch gegen einen anderen Feiertag geben kann. Der Reformationstag wird sie ja z.B. weniger interessieren.
Mein Grundgedanke ist ein Konto von zehn Feiertagen pro Einwohner. Ich erkenne an, dass manche Feiertage auch kulturelle Identität stiften. Das träfe in Deutschland wohl auf Weihnachten zu, vielleicht auch auf Ostern. Ich würde mir wünschen, es träfe auch auf den 3. Oktober zu (unseren Tag der Einheit). Denke, das ist wohl eher nicht so. Manche Feiertage stiften aber keine Identität, sondern sind nur ein willkommener Kurzurlaub. Leider kommen da alle auf die gleiche Idee. Infolgedessen: Verstopfte Straßen und ausgebuchte Herbergsbetriebe.
Also mag man das ja teilen. Sag, hier sind die zehn Feiertage. Anders als Urlaub setzen Feiertage keinen Urlaubsantrag voraus. Sie sind dadurch gewährt, dass sie Feiertage sind. Ziehe Weihnachten und den 3. Oktober ab. Bleiben sieben. Jeder Arbeitgeber möge zwei weitere definieren. Die übrigen fünf… Sache des Arbeitnehmers und seiner Weltanschauung. Ich selbst würde aus Verbundenheit mit den Niederlanden noch den 28. April wählen und überdies meinen Geburtstag im Sommer, den Europatag am 9. Mai und zwei weitere Termine im Herbst und im Winter.
Offensichtlich würde im gegenwärtigen Paradigma niemand Feiertage wählen, die auf einen Sonntag fallen. Bei einem frei gewählten Wochenende würde dies allerdings für den Arbeitgeber vergleichsweise unerheblich.
Ach, auch Feiertage sind noch keine 150 Jahre alt. Und ihr Initiator in Großbritannien war ein Cricket Fan. So fielen sie auf die Daten wichtiger Spiele, so die urbane Legende. Die wohl leider nur eine Legende ist. Ihre Daten sind dennoch nicht in Stein gemeißelt. Ein Land, in dem wir uns darüber austauschen können, wer warum welche Feiertage wählt… ich persönlich finde das interessanter und identitätsstiftender als Horden betrunkener Männer am zum Männertag verkommenen Himmelfahrtstag.
English summary
Germans celebrate Christmas on the evening of the 24th. In the morning of the 24th, shops are usually open. This year, the 24th is a Sunday. On Sundays, shops are closed in Germany. Hence, there was some debate as to whether or not shops should be opened. They remained closed.
On the 25th, I read an article in the FAZ newspaper in which the author argued that Sunday shop closure times contribute to solidarity within societies. I then put out three empirical facts to refute that claim. First, in some polls German show considerably less inter-state solidarity with other European states than their neighbors. Second, Germans favor solidarity over individualism less than their neighbors – they have the strongest desire for a balanced society, however. Third, within Europe, Germany occupies a rather average position in terms of charitable giving, volunteering, and general helpfulness towards strangers. Shops are open in some countries that are ahead of Germany. Shops are open also in some countries that are placed behind Germany. Take-away: Whether or not shops are open on Sundays has absolutely no relevance to determine how much solidarity there is within a society.
I went on to propose that instead employees should freely decide which two consecutive days they want to use as their weekend. I argued that it’s an arbitrary definition from recent history. I finished with a reference to articles in the British press that propose three-day weekends and four-day weekends. It turns out that those would be healthier for us and would not make us less productive.
Next, I said that bank holidays are not much different from weekends. (Other than that laws for bank holidays are different with respect to normal holidays.) Some people will not feel reflected by those that the government has decided. I advocate that some flexibility should enter these definitions. Because, why not? Who wants to stick to religious days may do so. I’d be excited about exchanging with people about their bank holidays. I’m not excited about getting in the same traffic jam.
Hence, imagine an account of ten bank holidays, of which a European government might pick two for Christmas and one for its national holiday. Two might fall under the decision authority of the employer, and then there are still five that everyone could decide about freely. I’d pick the Dutch King’s Day, my own birthday, the Europe Day (the one on May 9th), and two more days in fall and winter.
Put short: weekends and bank holidays are a social construction from 150 years. As the society and the labor world have evolved towards more flexibility, it’s time to rethink the static nature of weekends and bank holidays.